Jakobsweg II – Tag 7 – Zenarruza-Gernika-Larrabetzu

Jakobsweg II – Tag 7 – Zenarruza-Gernika-Larrabetzu

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Ich habe heute verschlafen und springe aus dem Bett. Die meisten anderen sind schon weg und ich habe ein schlechtes Gewissen. Ich brauche trotzdem erstmal einen Kaffee und das dauert. Die Bedienung sieht auch noch nicht ganz wach aus. Die anderen Deutschen sind auch noch da und das beruhigt mich.

Um acht komme ich dann endlich aus dem Haus und es ist ein wunderschöner Tag. Mir hängen die schlechten Nachrichten von zu Hause nach und ich muss mich heute echt quälen.

Manchmal verstehe ich die Welt einfach nicht

Es fällt mir schwer die dunklen Gedanken abzuschütteln und so laufe ich wie eine Maschine vor mich hinbrütend durch eine schöne Landschaft bei herrlichstem Wetter und kriege nicht viel davon mit.

In den Exerzitien steht, dass ich mir vor dem einschlafen überlegen soll, zu welchem Zweck ich am nächsten Tag aufstehen will und mich am Morgen als erstes daran zu erinnern.

Ich will mein Licht und meine Liebe in diese Welt tragen und sie ein bisschen besser machen.

Man sagt mir, ich soll mein Leben in Ordnung bringe und mir Arbeit und Wohnung suchen. Das hatte ich doch alles schon und nichts war deswegen einfach in Ordnung.

Ich erkenne, dass ich hier bin um meine Gefühle und Gedanken zu ordnen und sie in Einklang zu bringen. Das funktioniert tatsächlich gut. Wenn ich etwas bewegen will in der Welt und etwas zum Positiven beitragen will, brauche ich meine Energie dafür.

Menschen rufen aus dem Auto: Animo, das heißt: nur Mut oder Kopf hoch und ein kleines Mädchen hat mir heute einen Buon Camino gewünscht. Unterwegs treffe ich wieder meine deutschen Mitpilgerinen wieder und schließe mich ihnen an. Ich möchte nicht länger mit meinen Gedanken alleine sein, sie machen mich nur fertig heute.

In Gernika trennen sich unsere Wege wieder

Ich hole mir einen Stempel im Museum. Die Frau am Schalter gibt ihn mir gern und trägt mich ob ich nicht auch die Ausstellung sehen möchte und ich sage spontan, Ja.

Das ist genau das was ich jetzt brauche. Es geht um das Thema Frieden und zuerst werden Bilder aus dem Krieg gezeigt als deutsche Flieger an einem Tag 80% der Stadt zerstört haben. Ich bin erschüttert von den Filmdokumenten und dem Erfahrungsbericht einer Augenzeugin.

Es ist unglaublich gut in Szene gesetzt in einem abgedunkeltem Raum, der einem Wohnzimmer zur damaligen Zeit nachempfunden ist. Es sind Sirenen zu hören und Explosionen, dann Licht und die dunkle Wand verwandelt sich in eine Scheibe, die Trümer zeigt.

Ich bin so erschüttert, dass ich weine als ich den Raum verlasse.

Weichheit und nachgeben habe ich lange als Schwäche interpretiert. Heute weiß ich, hart und und unnachgiebig zu sein zeugt von Verletztheit und Unsicherheit.
Es fällt mir nicht leicht die andere Wange hinzuhalten und mich nicht zu wehren, aber ich bin machtlos was andere Menschen über mich denken und wie sie beschließen mit mir umzugehen.

Es hilft auch nichts mich zu verteidigen oder beschwichtigen zu wollen. Ich kapituliere und lasse mich in den Schmerz fallen, denn meine Kinderseele weint. Es ist nach wie vor schwer eine geballte Ladung Aggression und Lieblosigkeit gegen mich gerichtet auszuhalten. Ich erkenne aber mittlerweile darin ihren eigenen Schmerz und ihre Hilflosigkeit.

Irgendwie muss es wohl manchmal raus und dann trifft es Menschen, die uns am nächsten stehen. So viel verwirrte Gefühle. Das meiste was andere Menschen mir entgegenbringen erkenne ich inzwischen als Selbstoffenbarungen. Sie reden im Grunde von sich selbst, wenn Sie mir Vorwürfe machen.

Woher ist das weiß? Ich mache es auch so.

Es gibt keinen Weg zum Frieden, Frieden ist der Weg. Heute ist kein Frieden in mir und ich akzeptiere es.

Und dann laufe ich weiter einfach immer weiter mit dem Schmerz in mir und ich laufe noch als es schon dunkel ist und dann finde ich doch noch Frieden auf dem zentrale Platz von Larrabetzu. Die Menschen sitzen hier noch nach zehn zusammen, reden und lachen miteinander.

Befreit und völlig am Ende verlasse ich die Stadt und auch mir irgendwo am Straßenrand einen Platz für mein Zelt. Es ist nichts mehr wichtig heute.

Fotos von heute – Diashow

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2 Antworten

  1. Hallo Tanja,
    Du erinnerst Dich?
    Wir haben uns kurz nach Genf getroffen. Du kamst und ich ging zu Karin.
    Jetzt bin ich wieder auf dem Weg, jetzt von Genf nach Le-Puy oder vielleicht weiter …
    Nachdem ich mich an unsere Begegnung erinnert habe, habe ich Deinen Blog nochmal gelesen und bin auf die Exerzitien gestoßen.
    Bis gerade hatte ich mich gefragt, warum ich keine Lektüre mitgenommen habe, nachdem ich mir die Exerzitien runtergeladen habe weiß ich jetzt warum 😉
    Danke für die Anregung!
    Eine gesegnete Zeit wünscht Dir
    Matthias

    • Hallo Matthias,
      Ja, ich erinnere mich noch.
      Ich freu mich so für dich, dass du deinen Weg fortsetzten kannst. Auf diesem Abschnitt des Weges gibt es ein paar traumhaft schöne Stellen mit Ausblick auf die Rhone.
      Die Exerzitien sind wirklich intensiv und haben mich sehr tief in meinen eignes inneres Erleben geführt.
      Am Ende habe ich mich teilweise wieder so frei und glückselig wie eine Kind gefühlt.
      Es tut so gut mal Ballast abzulegen.
      Ich wünsche dir eine gute Zeit mit vielen tollen Begegnungen.
      Liebe Grüße
      Runa

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